Nachdem in der Boizenburger Firma der Markt für Hustenbonbons eingebrochen ist, planen die Unternehmer nun neue Produkte. Auch vegane Süßigkeiten sollen entstehen.
von Sascha Nitsche
Boizenburg | Über zusätzliche Corona-Pfunde sprach und spricht die ganze Welt. Süßigkeiten – im tristen Homeoffice manchmal der einzige Lichtblick – leisteten hierzu wahrscheinlich einen großen Beitrag. Deswegen möchte sich Oliver Schindler, Chef der Boizenburger Firma „Sweet Tec“, die sich selbst liebevoll „Bonbonfabrik“ nennt, zunächst auch nicht beklagen, wenn er aus beruflicher Sicht auf die vergangenen mittlerweile fast zwei Corona-Jahre blickt. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, fasste er unlängst in einem Gespräch mit Ina Latendorf zusammen. Die Linken-Politikerin kandidiert für den Bundestag und wollte nun hören, was Unternehmern auf den Nägeln brennt.
Oliver Schindler und sein „Sweet Tec“-Mitgeschäftsführer Frank Göbel hatten hierbei durchaus Positives zu berichten. „Als Lebensmittelproduzent hat man ja eh einen hohen Hygienestandard“, erklärte Oliver Schindler hinsichtlich getroffener Maßnahmen, um die Ausbreitung von Corona zu verhindern. Als die anfänglich aufgetretenen Probleme bei der Logistik dann auch beseitigt waren und im Laufe der Zeit die vom Landkreis organisierten Impfungen fortschritten, sei man in Boizenburg gut durch die Krise gekommen.
Darauf ausruhen wollen und können sich die Verantwortlichen bei „Sweet Tec“ allerdings nicht. „Das nächste Jahr wird ein schweres Jahr“, ergänzte Oliver Schindler sogleich. Seine Aussage zielt auf den Rohstoffmarkt, denn die Preise auch in der Süßwarenindustrie streben aktuell nur in eine Richtung: nach oben. Der „Bonbonfabrik“-Chef rechnet im kommenden Jahr mit Preissteigerungen von bis zu 84 Prozent.
Hinsichtlich dieser Prognose hofft Oliver Schindler, dass ein Kuriosum vom Anfang dieses Jahres nicht mehr so markant hervorsticht. „Im vergangenen Winter wurde weniger gehustet“, benennt er dieses. Bei all dem Gerede über die typischen Symptome einer Corona-Infektion kaum zu glauben, aber doch wahr. „Im Lockdown blieben die Menschen mehr zu Hause und haben sich weniger Erkältet“, hat Oliver Schindler eine Erklärung hierfür.
Weniger Hustenbonbons verkauft
Dass es im Hals von weniger Menschen gekratzt hat, bedeutete für die Firma „Sweet Tec“ einen Einbruch des Hustenbonbon-Marktes. So weit soll es in den Augen der „Sweet Tec“-Verantwortlichen in diesem Jahr nicht mehr kommen. Die Maschinen produzieren jedenfalls schon reichlich Süßes mit unter anderem Ingwergeschmack, um im Ernstfall das Halskratzen zu bekämpfen.
Und im „Sweet Tec“-Universum werden die Uhren noch weiter auf Zukunft gestellt. „Bereits im Dezember 2020 hat die neu gegründete Firma ,Inworld‘ von der ,European Candy Group‘ und ihrer Tochtergesellschaft ,Continental Candy Industries‘ die Produktionsstätte in Boizenburg erworben“, bekam Till Backhaus (SPD) zu hören, als er die Bonbonhersteller aus Boizenburg besuchte. Die ,Inworld‘ wird von Oliver Schindler und dem Schweizer Partner, der Firma ,Innutri‘, betrieben. Neben dem Fakt, dass alle 84 Mitarbeiter, die zuvor für ,Continental Candy Industries‘ am Standort in Boizenburg gearbeitete haben, übernommen wurden, ist die weitere Ausrichtung dieser Produktionsstätte für die „Bonbonfabrik“, die nun für insgesamt fast 600 Menschen Arbeit in der Region bietet, besonders interessant. Beschreiten Oliver Schindler und Co. hiermit doch tatsächlich Neuland für die Firma.
„Wir haben festgestellt, dass der Markt für vegetarische und vegane Fruchtgummis stark wachsend ist. Mit der ,Inworld‘ können wir mit unseren Kunden diesem Trend folgen und die bunte Vielfalt von gelantinefreien Fruchtgummis anbieten“, berichtet Oliver Schindler den einen Weg, der nun mit der neu erworbenen Produktionsstätte beschritten werden soll.
Nahrungsergänzung ist ein lukrativer Markt
Die zweite Perspektive ist die Herstellung von kaubaren Produkten, die zum Beispiel Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Nahrungsergänzungsmittel ist hier das Stichwort. Inspiriert von den USA oder aber der Schweiz, wo solche Erzeugnisse schon zu erwerben sind, sind sich die „Sweet Tec“ und „Inworld“-Verantwortlichen sicher: „Das ist ein stark wachsender Markt.“ Vor allem in Deutschland, wo solche Mittel bisher allerhöchstens ein Nischendasein gefristet haben. „Wir glauben da fest dran“, lautet Oliver Schindlers Einschätzung zu den Neulingen in der breiten „Sweet Tec“-Palette, die die „Bonbonfabrik“ in Boizenburg mittlerweile zur deutschlandweiten Nummer fünf im Zuckerwarenmarkt gemacht hat. „Mit unserer Technologie setzen wir in der „Inworld“ neue Standards für hochwertige ,Soft Gums‘ mit Mehrwert“, ergänzt diesbezüglich Federico Innerebner. Er ist ebenfalls Geschäftsführer von „Inworld“ sowie Gesellschafter der Firma „Innutri“.
An süßen Verlockungen wird es demnach auch nicht mangeln, wenn die Zeit nach der Corona-Pandemie allen Menschen wieder ein „normales“ Leben ermöglicht. Dann werden die zusätzlichen Pfunde wohl nur wieder auf Frust oder den Winter geschoben.