Naschen ist bei Sweet Tec ausdrücklich erlaubt

Der Chef der Boizenburger Süßwarenfabrik Oliver Schindler (54) kostet selbst jeden Tag von den frisch produzierten Bonbons. Täglich verlassen 90 Millionen Süßigkeiten das Werk. Foto: Roehrbein, Ingo

Rund 90 Millionen Bonbons verlassen täglich die Fabrik Sweet Tec in Boizenburg. Vernascht werden sie in ganz Europa.

Boizenburg/Lauenburg. Die Firma Sweet Tec in Boizenburg kann einem so manchen Tag versüßen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier stellen 414 Mitarbeiter täglich rund 90 Millionen weiche und harte Bonbons sowie Fruchtgummi her. Und dabei ist das Naschen für die Mitarbeiter ausdrücklich erlaubt. Selbst der Chef, Oliver Schindler, greift immer wieder gern zu. „Ich kann nicht anders. Schließlich bin ich quasi mit dem Bonbon im Mund geboren worden“, sagt der 54-Jährige, der gebürtig aus Karlsruhe kommt. Wir haben den Unternehmer in seiner Bonbonfabrik besucht und über die Corona-Krise, Fachkräftemangel und die Neuheiten in der Produktpalette gesprochen.

Fachkräftemangel macht sich auch in der Bonbonfabrik bemerkbar

Vor 16 Jahren setzte Oliver Schindler auf die grüne Wiese bei Boizenburg. 25 Millionen Euro investierte er, wobei 40 Prozent aus Subventionen vom Land und von der Europäischen Union kamen. „Ohne die Zuschüsse gäbe es uns heute nicht“, gibt der Unternehmer offen zu. Zwar stammt er aus der Karlsruher Bonbon-Dynastie Ragolds, die unter anderem die Marken Rachengold und Gletschereis produziert, doch er geriet früh mit seinem Vater aneinander und stieg schließlich aus dem Familienunternehmen aus. „Die Generationsübergabe ist bei uns leider gescheitert“, erzählt er.

Schindler hat sich ein eigenes, großes Unternehmen aufgebaut, was immer weiter wächst. So gab es zuletzt 2015 eine Werkserweiterung für die Produktion von Fruchtgummis. Kosten: 60 Millionen Euro. 200 Arbeitsplätze wurden geschaffen. Doch auch bei der Bonbon-Herstellung macht sich der allgemeine Fachkräftemangel bemerkbar. „Uns fehlen in der Region neue qualifizierte Mitarbeiter und Auszubildende. Deswegen sind bei uns auch ausdrücklich Quereinsteiger erwünscht“, sagt der Chef.

So habe Schindler festgestellt, dass besonders gelernte Bäckermeister gut für den Job als Bonbonmacher geeignet seien. „Sie können beispielsweise die Temperaturen und die Masse für ein Bonbon gut einschätzen.“ Außerdem ist es seit Kurzem möglich, dass Produktionsmitarbeiter berufsbegleitend in etwas mehr als einem Jahr einen anerkannten IHK-Abschluss erwerben können. Und seit 2016 ist es in Mecklenburg-Vorpommern möglich eine Aufstiegsfortbildung zum Industriemeister Lebensmitteltechnik zu machen.

Doch nicht nur das Thema Personal hat Schindler in den vergangenen Monaten auf Trab gehalten. Auch die Corona-Krise war für ihn und seine Frau Sonja Schindler, die seit zwei Jahren den Bereich der Unternehmenskommunikation leitet, ein großer Kraftakt. „Wir hatten zwar das Glück, das wir als systemrelevant galten und gelten, mussten aber trotzdem noch strengere Hy­gienerichtlinien als sonst erarbeiten“, so Sonja Schindler.

Innerhalb von 24 Stunden wurden Desinfektionsmittelspender an den Eingängen aufgestellt, Markierungen für Mindestabstände geklebt und Verwaltungsmitarbeitern das Arbeiten im Homeoffice ermöglicht. „Zuerst wollten wir auch eine Notfallbetreuung für die Kinder unserer Mitarbeiter anbieten, aber das war relativ schnell durch die Behörden untersagt worden“, sagt die 44-Jährige und schaut zu ihrem Mann hinüber.

Verkauf mit Sonderangeboten kann wieder im September starten

Zu Beginn des Lockdowns gab es dann aber auch ein paar Schwierigkeiten. „Wir hatten Lieferverzögerungen bei unserem Packmaterial“, erinnert sich der Bonbon-Liebhaber zurück. Der Fabrikverkauf musste für einige Wochen eingestellt werden. Ein Teil der Süßwaren ging an die Obdachlosenorganisation Suppenküche in Hamburg sowie an das Boizenburger Krankenhaus und die Boizenburger Tafel.

Mittlerweile gab es jedoch ein paar Sonderöffnungstage für Leckermäuler, um wieder kiloweise Bonbons im Sonderangebot kaufen zu können. Das kleine Geschäft an der Straße Lindhorst 4 hat von September an wieder täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Nach dem Gespräch im Konferenzraum geht es weiter in die Produktionshallen – oder besser gesagt auf eine Empore in den Produktionshallen mit Blick auf die Anlagen. Natürlich gibt es dafür ein passendes Outfit: Kittel und ein Haarnetz sind Pflicht. Ebenso muss alles an Schmuck abgelegt werden. Dann geht es durch die Hygieneschleuse und es offenbart sich die Bonbon-Produktion.

Aus einem Kessel fließt die weiße Grundmasse für Kaubonbons. Sie landet in einem weiteren Röhrensystem und kommt in fünf verschiedenen Farb- und Geschmacksrichtungen wieder heraus: Erdbeer, Orange, Zitrone, Kirsche und Himbeere. Über 7000 Bonbons pro Minute prasseln allein aus dieser Anlage. Doch die Zuckerwaren aus der Elbestadt werden europaweit, zum Beispiel nach Polen, Frankreich, Spanien, Russland, Ungarn, und Rumänien exportiert. „Sehr viel Ware geht aber auch in die
Vereinigten Staaten und nach Asien“, sagt Oliver Schindler und wirft einen Blick auf die Wickelmaschine.

Seit wenigen Wochen hat Sweet Tec zudem erstmals einen Container mit Süßwaren nach Australien losgeschickt. „Wir sind also absolut zufrieden mit unserer Entwicklung“, ist sich das Ehepaar einig.

Ihre Ansicht wird vom Blick auf die Umsatzzahlen der vergangenen Jahre bestätigt: Während die Firma 2011 bereits ein Umsatzplus von
20 Prozent auf 65 Millionen Euro für die gesamte Gruppe erzielen konnte, lag der Umsatz im vergangenen Jahr bereits bei rund 100 Millionen Euro.

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